Predigt am Palmsonntag von SI Dr Matthias Geist

2. April 2023 - Palmsonntag Trinitatiskirche

Predigt zu Johannes 12, 12-19

SI Matthias Geist

12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: 15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. 17 Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

 

Liebe Gemeinde!

Gott setzt sich dieser Welt aus. Und er setzt sich mit uns als seinen Geschöpfen auseinander. Daran erinnern wir uns nach dem Weihnachts- und Christfest nun in den Tagen der Karwoche ganz intensiv und ganz anders. Gott will nahe an uns sein. In Jesus, dem der ganz Mensch war. Voll und ganz.

Jesus ging einen besonders harten Weg. Den Gottes. Und das ist das wahrhaft Unglaubliche an dieser realen historischen Aneinanderreihung von Ereignissen in der Karwoche. Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt etwas, was unaufhaltsam zum Ende und grausamen Finale eines Menschenlebens wurde. Die Hinrichtung – öffentlich, gebrandmarkt, ausgestoßen, verraten und ausgeliefert.

Gott setzt sich aus. Dieser seiner Welt. Und reitet doch ein in Jerusalem.

„Hilf doch!“ Dieser Ruf ereilte Jesus in den Tagen vor seinem eigenen Ende. Und er hörte ihn. Vielleicht war es nicht ganz einfach, auch für ihn. Diese Erwartung, diese Last. Aber er gewährte ihnen, den Seinen, seine Hilfe, seine Zuversicht. Nicht nur den laut Schreienden, sondern jeder und jedem – am Wegesrand genauso wie jenen, die ihn einfach befragt haben.

Warum erzählen wir dies alles, Jahr für Jahr? Ich finde 5 Gründe, die ich mit einem einfachen Merkwort benenne.

JESUS -

J wie Jerusalem

E wie Esel

S wie Sorge

U wie Ultimatum und

S wie Sehnsucht

Jerusalem: das bedeutet für mich: hinauf und jenseits. Ja, auf den Berg Zion hinauf. Das heißt: auf die befestigte Stadt, die doch so brüchig ist. So wie unser Leben, das hier gemeint ist. Denn es will ja auch gemessen, will gewürdigt und als feste Persönlichkeit begriffen werden. Und doch ist es einen Anmarsch hin wert. Aber es wird im Lauf eines Lebens immer wieder die Machtfrage zu stellen sein, die auch ich kenne: wer regiert in meinem Leben? Ich selber? Andere? Gott?

E - der Esel:

Er ist zwar das untertane Tier. Nicht das Mächtige, sondern das Lastentier, das aber was wert ist. Das Reiten auf einem Esel war in biblischer Zeit kein Zeichen von Armut oder Einfachheit, ganz im Gegenteil! Jahrhundertelang war in Israel gerade der Esel ein Symbol für Vornehmheit.

Bin ich mir dieses wert? War sich Jesus das wert, dass er „der“ König mit diesem Begleittier eine Machtposition angeht, anreitet? Wir wissen es nicht. Aber es wird nicht leicht für ihn gewesen sein. Es ist ja auch schlicht die Spekulation, die nicht er, sondern andere an ihn richteten: „Er wird es schon machen. Oder probieren soll er es doch. Schauen wir, was draus wird…“

S wie die Sorge:

Es wird einem wie Jesus, einem wie mir manchmal ganz schön mulmig. Mein eigenes Selbst steht sich ja oft im Weg. Mächtig – nein bin ich kaum. Wenn ich alles bestimmen könnte, sähe die Welt zwar sicher anders aus. Aber ohnmächtig bin ich auch nicht. Sondern oft mitgehangen, mitgefangen und nur zum Teil selbst bestimmt. Wie dieser Jesus, dem auf sein eigenes Ende hin die Sorge um sich beschäftigte, aber vor allem die Sorge um die Seinen umtrieb, wie wir in den Tagen des Gründonnerstag und des Karfreitag erfahren.

U wie das Ultimatum:

Irgendwann in einem jeden Leben - und bei Jesus jetzt am Palmsonntag - wird der Zeitfaktor relevant. Wie in einem Geiseldrama schnürt sich die Schnur enger um den Hals. Jesus und ich – wir sind vermeintlich wachsam, könnten entkommen. Aber wir gehen auf einen letzten Punkt zu und werden nicht allein mit dieser Sache fertig. Wir wenden uns dann gerne an die Erinnerung, an das Gegenwärtige und letzten Endes auch an eine Hoffnung. Sie trägt uns so lange, wir sie glaubhaft vermittelt bekommen. Aber das ist schwer. Die Auferstehungsgläubigen um Jesus bezeugten ihn. Und auch wenn es uns nicht vor Augen ist, so trägt gerade dieses Bewusstsein alle, die mit diesem Jesus unterwegs waren und sind. Bis heute. Zuletzt:

Das S für die Sehnsucht.

Bleib auch am Weg, am Weg, der nicht so zurückzugehen ist, wie in die Richtung auf Jerusalem zu. Gott sei auf diesem Weg bei mir. Im Ultimatum der Zeit und des Raumes. Gott, sei bei mir und sei keiner, der mich überfordert. Meine eigene Großmutter konnte in ihren letzten Tagen noch ihre Urenkel, meine Zwillingssöhne, sehen und im Arm halten. Als sie uns verabschiedete, sagte sie mit schwacher Stimme und in Hochdeutsch aus ihrer schlesischen Herkunft nicht unser österreichisches „Pfiat Di“, sondern „Behüt Euch Gott“. Das gab ihr Raum für ihre Sehnsucht und lebt seither in mir, vielleicht auch in meinen Kindern. Die Sehnsucht, dass alles seine Zeit und seinen Ort hat. Auch das Loslassen, das Sterben, aber auch das neue Leben in Gottes Ewigkeit.

Ich sehe mich in Paulus Formulierungen aus dem Philipperbrief. Er schreibt seinen Christushymnus von dem Jesus, der sich erniedrigte um meinetwillen. Ich sehe mich in denen, die die Auferstehung hofften, ersehnten. Die daran glaubten, obwohl sie nie überprüfbar sein würde.

Aber JESUS, wie er hier am Weg nach Jerusalem ist und mit aller Deutlichkeit seinen Weg geht, er ist neben uns. Er zeigt uns an, worauf es ankommt. Er ist der Wegweiser und der Wegbegleiter, den wir an allen Stationen J-E-S-U-S seines und unseres Lebens brauchen.

Amen.

Nach Oben